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NIX mehr! Schienenaktionswochenende beim AKW Krümmel am 20. u. 21.09.1997




Aufgerufen zu dem Aktionswochenende hatte das norddeutsche Anti-Atombündnis "Nix mehr". 5000 Menschen sollten nach Krümmel mobilisiert werden, um unter dem Motto "Ausrangiert" beim AKW gegen die Atommülltransporte nach La Hague und Sellafield zu demonstrieren und den Widerstand für den nächsten Castor-Transport aus dem AKW Krümmel vorzubereiten. Etwa 3000 engagierte AtomkraftgegnerInnen waren schließlich gekommen, welche durch ihre vielfältigen Aktionen auf Straße und Gleis widerständige Präsenz zeigten. Es hatte die FunktionZiel des Widerstandes ist es, diesen Transport - wenn möglich - bereits am AKW zu stoppen.

Die Polizei aus Schleswig-Holstein hatte vor der Beginn der Aktion Deeskalation angekündigt und beschränkte sich vorwiegend darauf, die Situation unter Kontrolle zu halten. So konnten DemonstrantInnen immer wieder das Gleis zum AKW besetzen, um dort am Schotter tätig zu werden oder Barrikaden aus Ästen zu errichten. Zu vorläufigen Festnahmen kam es erst, als DemontrantInnen eine hölzerne Barrikade in Brand steckten bzw. gegen das Vermummungsverbot verstießen.

Bei der Auftaktkundgebung am 20. September vor der Post in Geesthacht stellte sich Margarethe Albers von der BI Lüchow-Dannenberg in ihrem Redebeitrag dem Vorwurf des St. Florian-Prinzips von Ministerin Merkel. Konsequent forderte sie zum Querstellen an allen AKW-Standorten auf. Das beinhalte auch ein Zusammengehen mit den Franzosen, die auf ein Verbot der Plutoniumproduktion in La Hague drängen. Weiterhin forderte sie die Stillegung des AKW Krümmel und sparte dabei nicht mit Kritik an den Grünen in der Landesregierung. Den grünen Staatssekretär im Energieministerium sah sie im Gestrüpp der Verwaltungsvorschriften ersticken: "Wir wollen ihm helfen. Etwas mehr Biß, Herr Voigt!" Und sie forderte das Ausschöpfen von Spielraum und Beachtung der Forderung seiner eigenen Partei, Krümmel solange vom Netz zu lassen, bis die Ursachen für die Leukämiefälle aufgeklärt und die Sicherheit des Reaktordruckbehälters zweifelsfrei festgestellt seien. Man werde ferner Hilfestellung geben, die ökonomischen Gründe für einen Ausstieg durch Querstellen noch zwingender werden zu lassen. Schließlich setzte sich Margarethe Albers auch mit den Vorwürfen der Gewalt auseinander, die von manchen Medien wie dem Hamburger Abendblatt verbreitet würden. Sie sagte, nicht 1,50 m angesägte Schiene sei Gewalt, sondern Lebensräume von Menschen unbewohnbar zu machen und Menschen an Strahlung erkranken und sterben zu lassen.

Danach sprach ein Vertreter einer Anti-Atombewegung aus La Hague, der seit 1975 dort aktiv ist. Er sagte u. a., dass die Menschen in La Hague sich in den 80er Jahren sehr über die Atomtransporte aus Deutschland und Japan aufgeregt und es nicht verstanden hätten, dass sich die Deutschen nicht um diese Transporte kümmerten. Jetzt sei man in La Hague froh, dass man sich nun in Deutschland dagegenstelle und damit auch gegen die Produktion von Plutonium. Er bedankte sich für die Einladung und erklärte seine Bereitschaft, sich am Nachmittag im Camp zur Diskussion zur Verfügung zu stellen.

Als weitere Rednerin ging Renate Backhaus (BUND) vor dem Hintergrund ihrer Krümmel-Klage vor dem OVG Schleswig sehr hart mit den Grünen in Schleswig Holstein ins Gericht, die in Sachen Atomausstieg in vielerlei Hinsicht versagt und das offensichtliche Leukämierisiko und die gravierenden Sicherheitsmängel des AKW Krümmel nicht zur Stillegung genutzt hätten. Und dann wörtlich: "Es nützt nichts, eine rotgrüne Regierung zu haben. Wir gehören hier wieder her, wo wir heute sind. Noch mehr und noch öfter; denn alleine die Politik scheint es ja nicht zu schaffen. Wir dürfen uns da nicht in Sicherheit wiegen. Wir gehören wieder mehr als jemals auf die Straße. Dies ist ein Auftakt. Ich hätte mir gewünscht, wir wären noch mehr. Wir schaffen das an vielen Stellen. Wir fangen mit Krümmel an, wir machen weiter. Wir kommen dann auch mal - ich lad' Euch alle ein - wenn es um Schacht Konrad geht. Ich glaube, wenn wir uns darauf besinnen, wo mal die Wurzeln waren, dann haben wir eine Chance, vielleicht auch gemeinsam mit den Grünen voranzukommen. Aber hier und heute, denke ich, muß uns erst mal wieder klar werden, die Politik wird's nicht richten. Wir nehmen unser Schicksal, was AKW's betrifft, in die eigene Hand. Nix mehr, nix mehr mit Krümmel, nix mehr mit Gorleben, Austieg jetzt und sofort und überall!" Renate Backhaus wies die ZuhörerInnen auf ihren nächsten Verhandlungstermin vor dem OVG Schleswig am 29.10.97 um 9.30 Uhr hin und bat um Unterstützung durch zahlreiches Kommen.

Bei der Auftaktkundgebung zur Aktion "Ausrangiert" am Sonntag begründeten mehrere RednerInnen vor zahlreicher Zuhörerschaft, warum sie an der direkten Aktion "Ausrangiert" teilnehmen wollen. Besonders begeisterten Applaus erhielt die 66-jährige Käthe, die schon einmal demonstrativ an der Castor-Schiene gesägt hatte und sich deshalb vor dem Amtsgericht Dannenberg verantworten muss. Sie begründete ihr überzeugtes Tun mit den Erfahrungen aus ihrer Kindheit: 1930 geboren, wurde sie im Elternhaus und in der Schule zu blindem Glauben und Gehorsam gegen die Nazi-Obrigkeit erzogen und "betete den sogenannten Führer Adolf Hitler als einen quasi Halbgott neben dem kirchlichen Vollgott an". Als sie im Februar 1945 von der russischen Front überrollt wurde und unter den Übergriffen der Soldaten zu leiden hatte, wurde ihr klar, dass sie einem verbrecherischen System angehangen hatte. Sie ordnete die Leiden als Strafe ein und schwor sich zugleich, nie wieder blindlings zu glauben, was andere ihr einreden wollten. So glaube sie auch nicht an die sogenannte ungefährliche friedliche Nutzung der Atomkernspaltung, die die Mächtigen unseres Landes uns einreden wollten. Harrisburgh und Tschernobyl seien die herausragenden Fälle einer unendlichen Kette von Störfällen und Unfällen in aller Welt, die zur Freisetzung von Radioaktivität führten, und beim Normalbetrieb gehe auch laufend Radioaktivität in Luft und Wasser.

Nach dem Gott-sei-Dank verlorenen Zweiten Weltkrieg habe sie ihren Eltern vorgeworfen, wie sie dem verbrecherischen Nazi-System hätten anhängen können. Ähnlich könnten nach uns lebende Generationen fragen, was für Menschen unsere Vorfahren gewesen seien, dass sie mutwillig Erde, Luft und Wasser mit Giften und Radioaktivität versauten, so dass sie jetzt unter Naturkatastrophen und Krankheiten leiden müssten.
Sie fände es großartig, dass die jungen Leute sich so engagierten. Das habe es vor und während der Nazi- Zeit nie gegeben. Wenn es diesen anhaltenden Widerstand nicht gäbe, hätte die Atomindustrie unser Land mit noch mehr Atomkraftwerken überzogen und Gorleben wäre kein Problem für sie geworden. Dafür müssten alle Menschen ihnen dankbar sein. Und abschließend fügte sie hinzu: "Mir ist es wichtig, dass die nach uns Lebenden erkennen, es haben sich damals viele viele Menschen widersetzt. Aber genau so wichtig ist mir, dass es gelingen möge, die verhängnisvolle Entwicklung zu beenden. Auch darum habe ich gesägt und werde heute mit Euch zusammen wiederum auf die Schienen gehen." (Begeisterter Applaus!)

Während der Abschlußkundgebung am Nachmittag wurden Rückblicke auf die Schienen-Aktionen gehalten. Die Veranstalter waren insgesamt mit dem Ablauf der Aktion zufrieden, auch wenn statt der anvisierten 5000 DemonstrantInnen nur etwa 3000 im Verlaufe des Wochenendes gekommen waren. Ein Lob gab es auch für die Polizei. Sie sei nicht so hart wie die Polizei im Wendland vorgegangen und man würde sie für die nächste Aktion gerne wieder buchen.
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