fotografie / presse-archiv



/// Castor 2001

// Widerstand gegen Atomanlagen

/ Archiv

subkontur



© Gisela und Joachim Petersen, subkontur

Kontakt: info@subkontur.de





Castor 2001
Castor-Blockade bei Lüneburg am 27.03.01



Nach der Grossdemo am 24.03. hatten sich in Lüneburg spontan Leute zusammengefunden, die entschlossen und bereit waren, am Castor-Tag bereits kurz hinter dem Bahnhof Lüneburg eine Sitzdemonstration durchzuführen.

Bei einem ersten Delegiertentreffen der Leute, die sich in Bezugsgruppen organisiert hatten oder schon waren, stellte sich heraus, dass ca. 150 Leute mit Fahrrädern ausgerüstet waren und nochmals dieselbe Zahl zu Fuss und /oder mit KFZ bereit stand.

Aufbauend auf den Erfahrungen, welche bei einem Radausflug am 26.03. entlang der Castor-Schiene gewonnen wurden, konnte ein geeigneter Ort im Lüneburger Tiergarten-Wald festgelegt werden. Ferner einigte man sich auf eine Zeit, ab welcher der Castor-Zug wahrscheinlich zu erwarten war.

Für den unwahrscheinlichen Fall, dass der Zug erheblich schneller fahren würde als erwartet, gab es zwischen den Gruppen ein Kommunikationssytem auf Telefon-Basis. So konnten die Aktivistinnen in aller Ruhe schlafen gehen. Durch die Streckenbeobachtung war man ja ständig über den Standort und Weg des Zuges informiert.

Zum angepeilten Termin war bereits abzusehen, dass der Zug mit deutlicher Verspätung Lüneburg erreichen würde, war er doch bereits beim Grenzübergang mehr als eine Stunde lang aufgehalten worden und nahm, wohl um Ballungsräume mit massiven Protesten zu umfahren, mehrmals Nebengüterstrecken, die er nur mit stark verminderter Geschwindigkeit befahren konnte.

Die Polizei verbreitete demgegenüber ständig, dass der Zug genau im vorgesehenen Fahrplan sei. Auf die Rückfrage eines Journalisten des Deutschlandfunks, wie denn dieser Fahrplan aussähe, gestand der Polizeisprecher, dass es gar keinen Fahrplan gäbe, dass aber jedenfalls der Castorzug genau nach diesem fahre....

So wurde der Zeitpunkt des Demobeginns mehmals nach hinten verschoben. In manchen Bezugsgruppen gab das reichlich Gelegenheit für interessante Gespräche mit den Bürgern, bei denen sie als Auswärtige Quartier gefunden hatten. Bei der Planung ging das Delegiertenplenum davon aus, dass die Polizei darüber informiert war, dass eine solche Sitzdemo auf den Gleisen geplant war, nicht aber darüber, wann und wo diese stattfinden würde.

Um doch einen gewissen Überraschungseffekt zu erreichen, fuhren und gingen die Gruppen schließlich auf jeweils unterschiedlichen Wegen zum Demo-Ort zwischen alter Panzer-Brücke und "Posten 90" im Tiergarten-Wald. īDie Überraschung ist dann auch im wesentlichen gelungen, so dass die Gruppen klar vor der Polizei am Ort ankamen, wo sie sich sofort auf die Gleise setzten. Den wenigen, überwiegend freundlichen Polizeibeamten aus Oldenburg und Wilhelmshafen blieb in Anbetracht der Überzahl der Demonstrierenden nur das Beobachten des Geschehens.

Gross war der Jubel, als sich zeigte, dass die Lüneburger Sitzdemo derart gut terminiert war, dass die Rückfahrt des Gefangenen-Zuges nach Lüneburg blockiert wurde, in den die Sitzdemonstrierenden von Wendisch-Evern (X-tausendmal-quer) gesetzt worden waren, Genau zu diesem Zeitpunkt fuhr auch der Castor-Zug in den Lüneburger Bahnhof ein und war somit wegen der eingleisigen Streckenführung ebenfalls blockiert.

Als sich rasch immer mehr Polizeibeamten einfanden, wurde im Delegierten-Plenum beschlossen, dass man aufstand, und gemäss einer alten Lüneburger Aktionsidee dem Castor in Richtung Lüneburg entgegenging. Dieser Geschlossene Demo-Zug hielt dann vor dem "Posten 90", einem Haus mittten im Wald, und bildete erneut eine Sitzdemonstration.

Nach ca. einer weiteren halben Stunde wurden von der Polizei mit Puma- Transporthubschraubern bayrische Sondereinheiten angeflogen, die entschlossen aber auch ganz überwiegend besonnen mit dem "Abräumen" der Sitzdemo begannen. Dabei gab es keine Knüppeleien. Aber mehrfach wurden Demonstrierenden, die sich weigerten aufzustehen, die Gliedmassen schmerzhaft verdreht und auch in Nase und Augen gegriffen.

Die abgeräumten wurden in bereitstehende Lüneburger Stadtbusse gesetzt. Die Stimmung war in und um die Busse völlig entspannt und friedlich auch von Seiten der Polizei. Es wurden weder Personalien festgestellt noch gab es irgendwelche Durchsuchungen. Jeder und jede hat alle ihre Sachen behalten. Die Busse fuhren über die komplett gesperrte Ostumgehung von Lüneburg aus der Stadt heraus.

Im Bus waren nur zwei Polizeibeamte, der Bus fuhr einem Streifenwagen hinterher, der, wie später zu erfahren war, auch nur eine grobe Vorstellung vom Zielort hatte. Ein Bus fuhr im Bogen über Embsen, Amelinghausen, Salzhausen nach Jesteburg in der Nordheide. Hier sollten die Leute aussteigen. Als sie sich weigerten, wurde mit dem Einsatzleiter eine Weiterfahrt zum Bahnhof Buchholz in der Nordheide ausgehandelt. Dort stiegen alle freiwillig aus, als über Handy auch schon gemeldet wurde, dass genug Autos für die Rückholung schon unterwegs waren.

Als zwei Leute während der Wartezeit auf die Rückhol-Autos in einer Pizzeria am Platz eine Pizza kaufen wollten und dem Wirt von dem Grund der Menschenansammlung erzählten, spendierte dieser Wirt spontan für alle Demo-TeilnehmerInnen Pizza, um sich für deren Engagement gegen die Atomenergie zu bedanken.

Später, wieder in Lüneburg angekommen, konnten wir feststellen, dass sich bereits andere Leute um die Räder gekümmert hatten, die im Wald zurückbleiben mussten. Für diejenigen, die nach der Pizza schon wieder Hunger hatten, standen im "Anna und Arthur" warme und kalte Speisen bereit. Die Schienendemo in Lüneburg hat bei allen ein gutes Gefühl einer starken solidarischen Gemeinschaft hinterlassen.

(Autor: Karsten Hilsen, Text leicht redaktionell verändert.)
Die folgenden Fotos können als JPG 750x500 zur Ansicht geladen werden.
Wir weisen in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf unser Copyright hin.


1: Das Castor-Gleis wird vereinnahmt


2: Strategischer Rückzug in den Wald


3: Lagebesprechung in den Gruppen


4: Erneuter Durchbruch zum Gleis


5: Gleisbesetzung


6: Die Stimmung ist entspannt


7: Räumung
des Gleises


8: Passiver
Widerstand


9: Vorläufiges Ende einer Schleifspur


10: Tortur im Gleisbett


11: In hartem Zugriff


12: In Erwartung ihrer Räumung


13: Schleif-
Aktion


14: ... und hilfst du nicht willig, so gebrauchen wir Gewalt


15: ... und hilfst du nicht willig, so gebrauchen wir Gewalt


16: Mit der KVG
auf Sonderfahrt


17: ... und weiter
wird geräumt


18: Gelenke und Sehnen im polizeilichen Belastungstest


19: Butterfahrt für freiwillige Einsteiger


20: Zwangs-
Verfrachtung


21: Gleis frei für den Gefangenenzug


22: Das also ist der Castor!


23: Und steht und steht und ...