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Presseerklärung zur polizeilichen Ingewahrsamnahme der Pressefotografin Gisela Petersen

den 18.11.02

Presseerklärung

zur polizeilichen Ingewahrsamnahme der Pressefotografin Gisela Petersen während einer Fotoreportage, welche sie anlässlich einer Gleisbesetzungsaktion im Zusammenhang mit dem Castor-Transport am 13.11.02 in Lüneburg durchführte

In der richterlichen Bestätigung der Anordnung ihrer Ingewahrsamnahme wird Frau Petersen vorgeworfen, sich "auf der Bahnstrecke Hamburg-Hannover mit ca. 40 anderen Personen auf den Gleiskörper gesetzt" zu haben, "so dass der mit 140 km/h herannahende ICE Nr. 71 durch Polizeikräfte/Genzschutz nur kurzfristig durch Nothaltezeichen gewarnt werden konnte und nur durch eine Notfallbremsung ca. 150 m vor der Blockade halten konnte."

Frau Petersen erklärt hierzu:

1. Ich war während der ganzen Aktion als Pressefotografin im Einsatz und zu keinem Zeitpunkt an der versuchten Gleisbesetzung beteiligt.

2. Ich habe niemals auf dem Gleis gesessen, wofür es Aussagen von an der Gleisbesetzungsaktion nicht beteiligten Zeugen (Presse) gibt.

3. Ich wurde zweimal von Beamten des BGS von der Bahnböschung hinunter in Richtung Gleis gestoßen. Der zweite der beiden Stöße traf mich sehr heftig seitlich ins Kreuz, so dass ich mich drehte und der Länge nach die Böschung hinunterstürzte. Dabei habe ich mich am kleinen Finger der linken Hand verletzte (Prellung mit Bluterguss). Nach meiner Einschätzung hätte dieser Sturz weitaus schlimmere Folgen haben können. Nach diesem Sturz wurde mir keinerlei Hilfestellung zuteil. Den stoßenden BGS-Beamten habe ich während meiner Drehung erkannt.

Nach dem ersten Stoß in Richtung Bahngleis betrat ich erstmalig kurzzeitig die Schiene, wurde aber trotz Verweises auf meinen während der ganzen Aktion offen getragenen Presseausweis sofort von einer BGS-Beamtin abgedrängt und stieg die Böschung hoch. Dabei sah ich für kurze Zeit den ICE in der Nähe, der meines Erachtens stand. Fotos konnte ich nicht mehr machen. Die Behauptung, ich hätte durch meine Anwesenheit es mit bewirkt, dass der ICE bremsen musste, ist somit eindeutig falsch.

4. Meine Versuche, von dem BGS-Beamten die Dienstnummer zu bekommen, blieben erfolglos. Ich wurde dabei von einem anwesenden Pressefotografen unterstützt. Dieser wandte sich schließlich auch an den Einsatzleiter des BGS, wurde von diesem aber rüde abgewiesen.

5. Weitere Bemühungen des Pressefotografen bei dem anwesenden Pressesprecher der Polizei blieben ohne jeden Erfolg. Dieser erklärte ungerührt, dass das eben so sei, wenn Polizei im Einsatz sei, da könne es auch schon mal passieren, wenn jemand umgestoßen werde, weil man ja das Presseschild nicht sehe. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erwähnen, dass die Situation während der ganzen Zeit der Gleisbesetzung erstaunlicherweise völlig entspannt war. Es gab keinen hektischen Einsatz der BeamtInnen, so dass ein versehentliches Umstoßen völlig ausscheidet und Vorsatz unterstellt werden muss.

6. Nach der Gleisräumung konnte ich noch etwa eine halbe Stunde lang von einem Schwellenhaufen aus beobachten, wie die in einem Kessel auf einem Nebengleis festgehaltenen DemonstrantInnen nacheinander zur Personalienfeststellung und zur Ingewahrsamnahme zu den Polizeifahrzeugen gebracht wurden.

7. Dann traten zwei BGS-Beamte auf mich zu und forderten mich auf, ihnen zur Personalienfeststellung zum Bus zu folgen.

8. Ich konnte noch die in der Nähe stehenden Presseleute (taz, NDR etc.) verständigen. Diese intervenierten laut Angaben des in der Gruppe anwesenden Pressefotografen sofort bei dem Pressesprecher der Polizei und baten ihn darum, einzugreifen. Doch dieser zeigte sich knallhart, da könne er nichts machen, sie sei auf dem Gleis gewesen und für Presse gebe es darin keine Ausnahme. Von den Presseleuten wurde energisch protestiert, ohne Erfolg. Meine gesamte Fotoausrüstung konnte ich noch dem Pressefotografen aushändigen.

9. Dann wurde ich zusammen mit anderen Festgenommenen in die Gefangenensammelstelle nach Lüneburg gebracht und dort nach einer entwürdigenden Leibesvisitation und erkennungsdienstlichen Behandlung am Abend dem Haftrichter vorgeführt. Dieser konfrontierte mich in einschüchternder Art mit den o.a. Anschuldigungen und meinte in Bezug auf meinen Einwand der Pressetätigkeit, mitgegangen sei mitgehangen. Ferner verwies er darauf, dass solches Verhalten wie ein Verbrechen mit bis zu zehn Jahre Haft geahndet werden könne. Hier wurde eine knallharte richterliche Prozedur durchgezogen, deren Ergebnis offensichtlich von vornherein feststand.

10. Ich stelle abschließend fest, dass ich die Ingewahrsamnahme als rechtswidrig einschätze. Im Zusammenhang mit der Tatsache, dass sich mehr und mehr herausstellt, dass der gesamte Polizeieinsatz gegen die DemonstrantInnen als eine groteske Inszenierung zu verstehen ist, sehe ich das gegen mich gerichtete Verhalten von Polizei und BGS als eine gezielte Maßnahme der Repression und Kriminalisierung an, welche mich als engagierte und kritische Pressefotografin abschrecken und einschüchtern soll. Im Zusammenhang mit den verlautbarten Behinderungen auch anderer PressemitarbeiterInnen während des Castortransportes stellt dieser Vorfall einen unverschämten und nicht hinnehmbaren Angriff auf die Pressefreiheit in diesem Land dar.

Gisela Petersen