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Ein Grenzschutz - Spitzel als Castor - Aktivist:

Gestatten? Bruno Lohmann, Landwirt

Warum soll es das eigentlich nicht geben: Einen BGS - ler, der sich unter seinem Beruf etwas anderes vorgestellt hatte, als radioaktiven Atommüll durch das Land zu schleusen? Der über die Argumente der Atomkraft - Gegner nachgedacht und verstanden hat, wie verantwortungslos die gesamte Atompolitik ist? Der deswegen mit dem Widerstand gegen eben diese Atompolitik sympathisiert? So jemanden wird es sicherlich irgendwo geben.

Absolut sicher aber ist: Bernd Bruno Lohmann ist ein BGS - Mann anderer Art. Er hat sich zwar beim letzten Castor - Transport zu den Atomkraft - Gegnern gesellt, aber er tat das rein (geheim-) dienstlich, in Zivil und mit einer "Legende" ausgestattet: Lohmann arbeitete als Spitzel des BGS.

Als solcher mischte er sich unter die Castor- Gegner auf der Info - Wiese im Lüneburger Clamart - Park, sah und hörte sich dort interessiert um. Lohmann war vom Outfit her als Demonstrant verkleidet, er trug Strickmütze, Bart und längere Haare mit Zopf. Er stellte sich als "Landwirt aus der Nähe von Goslar" vor, der hier zwar noch nicht mitgemacht habe beim Protest. Aber er wolle auch etwas tun gegen Atomkraft, bei ihm zu Hause sei Schacht Konrad in der Nähe, da würde ja auch Atommüll gelagert, und er wolle mal gucken, wie das hier so abliefe, wie man Leute mobilisieren könne und so.

Als der Castor-Zug schon unterwegs war, hatte Lohmann hellhörig aufgeschnappt, worauf ihn seine Auftraggeber speziell angesetzt haben dürften: Eine "Aktion" solle stattfinden. Falls noch nicht geschehen könnten sich Menschen zu "Bezugsgruppen" zusammenschließen, und wer das tun wolle, der könne sich dann und dann da und da einfinden. Auftragsgemäß ging Lohmann zum angegebenen Treffpunkt.

Ob er sich dabei ein wenig mulmig fühlte? Ob er sich innerlich amüsierte, als man die Teilnehmer der neuen Bezugsgruppe aufforderte, draußen vor ihrem Treff ihr Handy abzugeben - das könnte schließlich abgehört werden? Ob er sogar einen Anflug von Skrupel verspürte, als er die Anwesenden über seine wahre Person und Funktion täuschte, sich das Vertrauen der Demonstranten erschlich, um sie dann auszuhorchen und das Erfahrene anschließend seinem Agentenführer zu melden? Anders wollte das vom Grenzschutz - Spitzel selbst hören und rief ihn kurzerhand an. Lohmann meldete sich zwar am Telefon, verleugnete sich gegenüber anders dann aber sofort: Er sei gar kein BGS - Beamter! Von dem Lüneburger Spitzel - Einsatz habe er in der örtlichen Zeitung gelesen; er selbst habe damit nichts zu tun.

Bei dem Demonstranten - Treffen in Lüneburg lief es dann jedenfalls prima für Lohmann. Mit den neuen "Mitstreitern" wurde der Spitzel schnell warm. Er wirkte auch nicht unsympathisch, heißt es. Und er trat auch keineswegs als Einpeitscher auf, der versuchte, zu noch mehr Radikalität aufzustacheln. "Das hätte doch nur Argwohn geweckt", sagen Insider zu anders . Der Polizeibeamte im Landwirt - Look sagte allerdings auch nicht, dass das doch wohl verboten sei, was da einige vorhätten. "Landwirt" Lohmann erzählte vielmehr, dass er für seine Person es sich durchaus zutrauen würde, den Castorzug auf den Gleisen zu blockieren. Da wäre er dabei - und ja, auch eine möglicherweise folgende Ingewahrsamnahme durch die Polizei würde er riskieren.

Anschließend beklatschte Lohmann das Konzert von Klaus, dem Geiger. Und beim späteren Laternenumzug sang der Spitzel selbst mit: "Atomkraft aus, wir gehen nach Haus, rabimmel rabammel rabumm ." Lohmann äußerte dann auch wirklich, nach Hause zu wollen: Mal nämlich deswegen, weil er eigentlich mit seiner Freundin das Auto tauschen müsse. Auch müssten seine Tiere versorgt werden. Da verstand wohl jeder, dass hatte dieser verantwortungsbewusste "Landwirt" zumindest telefonisch einiges abzuklären hatte.

Natürlich ging der BGS - Mann aber in dieser Nacht nicht zu sich nach Hause - seinen Auftrag hatte er schließlich noch nicht zu Ende ausgeführt. Vielmehr ging er mit anderen Aktivisten seiner Bezugsgruppe in die Wohnung von Atomkraftgegnern. Dort hieß es warten, bis der Castor - Zug sich Lüneburg näherte. Sicherlich unterhielt man sich über die "Aktion", schmiedete Pläne und informierte sich über Lüneburger Straßen und Wege, die zu den Schienen führten. Vermutlich fand sich auch ein Stadtplan in der Wohnung. Spätestens jetzt jedenfalls war auch Polizist Lohmann in das genaue Ziel eingeweiht, was angesteuert werden sollte, wenn der Zug kommen würde.
Der Spitzel fragte jedenfalls die Wohnungsinhaber, ob sie nicht noch einen anderen Raum für ihn hätten, wohin er sich alleine zurückziehen könnte. Bekam der "Landwirt" jetzt doch Berührungsängste, als er mit den Demonstranten dicht bei dicht schlafen sollte? Oder wollte er allein sein, um die Zielangabe der Gleisaktion - falls nicht bereits geschehen - ungestört verraten zu können?

Auch wenn dem Herrn Beamten in dieser Nacht kein Chambre separee angeboten werden konnte: Meldung zu erstatten war ihm auch ohnedem möglich: In der Wohnung sollte nicht geraucht werden - dafür musste man nach draußen vor die Tür gehen. Auf die Toilette im Untergeschoss ging man ebenfalls allein. Und da war auch noch ein separater Heizungsraum. Kurz: Der Spitzel hatte genug Gelegenheit, seine geheime Information dorthin zu melden, wo man mit Sicherheit sehr gespannt auf sie wartete.

Jedenfalls registrierten Einheimische dann am frühen Morgen schon als sonderbar: Der Castor hatte Lüneburg noch nicht passiert, und trotzdem waren die Polizeiautos verschwunden, die all die Tage vorher in der Gegend sämtliche neuralgischen Punkte in Gleisnähe sicherten. Dafür aber näherten sich Hubschrauber, als die Gruppe schließlich die Wohnung Richtung Gleis verließ. Aber leibhaftige Polizisten ließen sich kaum blicken.

Auch der leibhaftige Grenzschützer Lohmann outete sich nicht. Bis zum Schluss hielt er sich offenbar an seinen Auftrag und blieb der "Anti - Atomkraft - Aktivisten - Rolle" treu. Nicht einmal zaghafte Einwände waren von ihm zu hören. Kein "Leute, das ist aber verboten, das darf man nicht machen!" Oder gar als schon Berufskollegen in Sicht kamen: "Halt, ich bin in Wahrheit vom BGS. Ihr dürft nicht auf das Gleis!" Und nicht einmal "Jetzt wird mir das doch zu heiß! Ich mache da nicht mehr mit!". Lohmann fühlte sich offenbar sehr sicher, scheute nicht ICE und nicht Demonstranten - "Die Firma wird mich schützen", mag er gedacht haben.

Jedenfalls lief er mit den Castor - Gegnern zum verabredeten Ort am Gleis, ging mit ihnen dort auf das Gleis, ließ sich von Berufskollegen in Uniform einkesseln und wurde schließlich wie die anderen Gleisbesetzer zur Gefangenensammelstelle in der ehemaligen BGS - Kaserne in Lüneburg gefahren.

Dort verliert sich seine Spur. Es sei schon komisch gewesen, heißt es, dass Lohmann als einziger der Gleisbesetzer seinen Ausweis "vergessen" haben wollte und die Polizisten in Uniform ihn gleichwohl recht zuvorkommend bedienten. Nach der erkennungsdienstlichen Einzelbehandlung in der Gesa jedenfalls tauchte der verdeckte BGS - Fahnder nicht wieder bei den Demonstranten auf. Der Haftrichter brauchte für ihn (noch) keine Akte anzulegen.

Nachdem Lohmann seine Erlebnisse bei der Gleisbesetzung in einem Spitzel - Bericht aufgeschrieben hatte, wird er vermutlich zufrieden "Auftrag erfolgreich beendet!" gemeldet haben. Aber so ganz abgeschlossen ist die Sache denn doch noch nicht. Die Angelegenheit hat inzwischen ein ungeplantes Nachspiel bekommen: Enttarnung durch die "echten" Castor - Aktivisten und reichlich Ärger für die Firma. Dürfen wir Beobachter am Ende dieser erhellten und erhellenden Agentenstory doch noch freudig konstatieren:"Dumm gelaufen, ihr Herren vom BGS?"

Peter Raykowski (Erstveröffentlichung in: anders - das Magazin für Lüneburg, Uelzen und das Wendland No. 5 Dez. 2002)

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