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Strafanzeige wegen Vorfalls vom 13.11.02 an der Hauptstrecke Hamburg-Lüneburg der Deutschen Bahn
Castortransport / Ingewahrsamnahme

WOLFRAM PLENER
RECHTSANWALT
Rote Straße 10 a
21335 Lüneburg

Tel.: 04131/403500
Fax: 04131/404489

Staatsanwaltschaft Lüneburg
Burmeisterstr. 6
21339 Lüneburg

22.04.03

Strafanzeige

wegen Vorfalls vom 13.11.02
an der Hauptstrecke Hamburg-Lüneburg der Deutschen Bahn
Castortransport / Ingewahrsamnahme

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit der anliegenden Vollmacht zeige ich Ihnen an, daß ich die Interessen der Frau Gisela Petersen aus Vögelsen vertrete.

Namens und im Auftrag meiner Mandantin erstatte ich hiermit

Strafanzeige

wegen des folgenden Vorgangs:

Meine Mandantin betreibt die Presseagentur "Subkontur" in Vögelsen. Sie arbeitet als freie Fotojournalistin. Am 13.11.02 war sie in Ausübung ihres Berufes im Bereich der Bahnstrecke in Höhe der Straße Ahrenskule in Lüneburg unterwegs. An diesem Morgen hatte eine Gruppe von Castorgegnern eine Protestaktion an der Hauptstrecke Hamburg-Hannover veranstaltet, wo der Castorzug erwartet wurde. Wie bekannt ist, kam im Verlauf der Protestaktion ein auf dieser Strecke verkehrender ICE für kurze Zeit zum Anhalten.

Meine Mandantin hatte sich nach einem Hinweis vor Ort begeben, um zu fotografieren. Sie hat das Geschehen, das sich unten an der Trasse abspielte, von oben auf dem Bahndamm stehend verfolgt. Nachdem sie zunächst ungehindert ihrer Arbeit nachgehen und einige Aufnahmen fertigen konnte, wurde sie von zum Einsatz gekommenen BGS-Beamten einer vollkommen unangemessenen rüden Behandlung unterzogen. Sie wurde so von der Seite angerempelt, daß sie zu Fall kam und die Böschung ein Stück hinabstürzte. Davon noch völlig überrascht, ist sie wieder aufgestanden und hat sich umgesehen. Sie konnte außer den beiden BGS-Beamten keine weiteren Personen auf dem Bahndamm stehen sehen, so daß sie nicht etwa versehentlich in einem Getümmel angestoßen worden war. Sie beschwerte sich über diese Behandlung. Soweit könnte der Vorgang noch als Bagatelle gelten.

Meine Mandantin begab sich anschließend weiter die Böschung hinab in Richtung der Gleise, um von dort Aufnahmen zu machen. In der Zwischenzeit war ein Zug herangefahren und hatte gehalten. Polizeibeamte führten einen Einsatz gegen Demonstranten durch. Sie wollte das Geschehen auf dem Gleis dokumentieren. Ihr wurde aber durch Beamte, die sich ihr in den Weg stellten, die Sicht verdeckt. Trotz Hochhaltens ihres Presseausweises ließ man sie dort nicht fotografieren. Also ist sie wieder auf die Böschung hinaufgestiegen, um von oben zu fotografieren. Dort standen wieder BGS-Beamte. Als sie Anstalten machte, ihre Kamera in Richtung der Gleise einzustellen, erhielt sie von einem der Beamten hinter ihr einen Stoß in den Rücken. Davon wurde sie mit solcher Wucht getroffen, daß sie in einer Drehung zu Fall kam und die Böschung hinabstürzte, sich dabei die linke Hand verletzte und verschiedene Prellungen zuzog. Die Verletzung ihres Fingers war äußerst schmerzhaft, die Folgen noch wochenlang zu spüren. Im Stürzen erkannte meine Mandantin noch den ihr nächst stehenden Beamten, der als einziger Täter in Frage kommt.

Meine Mandantin ist nach diesem Angriff mühsam die Böschung wieder hinaufgestiegen, um den Täter zu identifizieren. Der betreffende Beamte weigerte sich jedoch, ihr Namen und Dienstnummer zu nennen. Sein Kollege, der daneben stand und der nach Wahrnehmung meiner Mandantin für das erste Anrempeln verantwortlich war, und der alles mitverfolgt hatte, verhielt sich bei der Frage nach seiner Dienstnummer ebenso. Ganz offensichtlich sollte hier das Fehlverhalten des einen Beamten durch den anderen Beamten gedeckt werden.

Auch dem Ehemann meiner Mandantin, der zwischenzeitlich eingetroffen war, wurden Namen und Dienstnummer verweigert, als er sich wegen des Vorfalls an den betreffenden Beamten wandte und diese Angaben verlangte.

Er wandte sich daraufhin an den Einsatzleiter des BGS, einen Herrn D., und brachte ihm den Vorfall und das anschließende Verhalten der Beamten zur Anzeige mit der Bitte, tätig zu werden. Der Einsatzleiter, der aufgrund der Sachverhaltsschilderung erkennen konnte, daß die Polizeibeamten sich nicht nur widerrechtlich gegenüber meiner Mandantin verhalten hatten, sondern der Verdacht einer im Dienst begangenen Straftat bestand, verweigerte beiden ebenfalls die Nennung von Namen und Dienstnummer der Beamten. Seinen eigenen nannte er übrigens auch nicht. Den hat der Ehemann meiner Mandantin später zufällig erfahren.

Auf die Presseausweise angesprochen, die meine Mandantin und ihr Ehemann bei sich führten, behauptete Herr D., daß diese gefälscht wären. Er war auch nicht bereit, den anwesenden Pressesprecher der Polizei, Herrn K. dazu zu befragen, der Frau und Herrn Petersen von ihrer Pressearbeit her persönlich kennt, und die Sache aufzuklären. Dieses wurde barsch abgelehnt. Ein BGS-Beamter, der Zeuge dieses Wortwechsels wurde, äußerte sein Unverständnis gegenüber der Reaktion des Herrn D.. In der Tat ist dieses Verhalten des vorgesetzten Beamten bemerkenswert - auch in strafrechtlicher Hinsicht.

Meine Mandantin war nicht nur durch ihre Kameraausrüstung, sondern auch den Presseausweis, den sie sichtbar an sich trug und mehrfach hochhielt, erkennbar als Pressefotografin tätig. Es gab keine Rechtfertigung dafür, sie bei ihrer Arbeit zu behindern geschweige denn, sie mit körperlicher Gewalt zu attackieren. Da die Situation bei dem Vorfall insgesamt ruhig war, läßt sich der Stoß in den Rücken auch nicht mit einem Versehen im Rahmen eines Polizeieinsatzes erklären. Deshalb kann nur von der absichtlichen Handlungsweise des Beamten ausgegangen werden.

Auch Herr K. zeigte sich auf die Bitte meiner Mandantin auffallend ungerührt. Er ließ ebenfalls keine Bereitschaft erkennen, sich für meine verletzte Mandantin einzusetzen. Im Anschluß daran war aber zu sehen, wie er mit Herrn D. zusammengestanden und eine Weile mit ihm gesprochen hat. Kurze Zeit später wurde meine Mandantin festgenommen.

Frau Petersen war inzwischen weiter ihrer Arbeit nachgegangen - oder versuchte das jedenfalls. Um einen besseren Überblick zu haben, hatte sie einen Stoß von Schwellen erklommen, der etwa 20 m entfernt von der Stelle aufgeschichtet stand, an der sich die Gruppe der festgenommen Personen befand. Von dort konnte sie die in dem Polizeikessel eingekreisten Demonstranten und deren Verbringung zu dem Gefangenentransport gut beobachten.

Sie machte weitere Aufnahmen. Währenddessen kamen zwei Polizeibeamte auf sie zu und forderten sie auf, sie zur Personalienfeststellung zu begleiten. Gründe wurden nicht genannt. Meine Mandantin wurde mitgenommen und zu dem Bus geführt, mit dem die Gefangenen abtransportiert wurden. Dort wurde sie körperlich untersucht und fotografiert. Anschließend wurde ihr eröffnet, daß sie in Gewahrsam genommen sei. Als Begründung wurde angegeben, sie habe sich auf dem Gleis aufgehalten.

Der Ehemann meiner Mandantin versuchte sofort, dagegen zu intervenieren. Er wandte sich auch noch einmal an den Pressesprecher K.. Ebenfalls sind die Reporterin der Tageszeitung "taz", Frau H. D. aus Hamburg sowie die anwesende namentlich nicht bekannte Reporterin des NDR eingeschritten, die den Vorfall mitbekommen haben. Aller Protest und die Hinweise der Augenzeugen auf die Pressearbeit meiner Mandantin halfen nichts. An einer Sachverhaltsaufkärung war niemand wirklich interessiert. Herr K. kommentierte dazu lediglich lakonisch, daß meine Mandantin das Gleis betreten habe. Da könne er nichts machen, für die Presse gäbe es da keine Ausnahme.

Meine Mandantin wurde schließlich mit den festgenommenen Demonstranten zusammen abgeführt und in die Gefangenensammelstelle nach Lüneburg verbracht, wo die Freiheitsentziehung an ihr vollzogen wurde.

Mit ihrem Presseausweis und den Fotokameras, war sie mit Sicherheit nicht mit einer Demonstrantin zu verwechseln, die sich an der Aktion beteiligt hätte, sondern als Reporterin erkennbar. Gleichwohl wurde sie nicht so behandelt, sondern an ihrer Arbeit gehindert, rechtswidrig verletzt und in rechtswidriger Weise in Gewahrsam genommen.

In der Gefangenensammelstelle wies sie ausdrücklich darauf hin, daß sie vor Ort fotografiert hatte und durch einen Presseausweis legitimiert war. Aufgrund ihrer eigenen Aussagen und der Angaben der vor Ort befindlichen Zeugen war völlig offensichtlich, daß meine Mandantin ausschließlich fotojournalistisch tätig war. Sie hätte im Zweifel sogar die Freiheit gehabt, zu diesem Zweck für kurze Zeit die Gleise zu betreten, wenn es erforderlich gewesen wäre, ohne daß man auf die Idee käme sie würde sich straf- oder polizeirechtswidrig verhalten.

Trotz alledem musste sie die Nacht in der Gefangenensammelstelle verbringen. Ihr Verbleiben dort wurde auf die von der Polizei wider besseres Wissen aufgestellte Tatsachenbehauptung gestützt, daß meine Mandantin sich zum Blockieren auf der Schiene aufgehalten hätte.

Hinzu kommt die entwürdigende Behandlung durch die Polizeibeamten, die unter Androhung körperlicher Gewalt von ihr verlangten, sich nackt auszuziehen, was nun wirklich unterirdisch ist.

Die klaren Umstände lassen nur den Schluß zu, daß die Polizei die Sachaufklärung, die sich hier aufgedrängt hätte, unterdrückt und Frau Petersen absichtlich unter falschen Verdächtigungen festgenommen und bis zum nächsten Morgen unter Verschluß gesetzt hat. Es ist leider auch davon auszugehen, daß die Polizei in dem Prüfungsverfahren nach § 19 Abs. 1 NGefAG wider besseres Wissen einen falschen Sachverhalt über das angebliche Verhalten meiner Mandantin angegeben hat, um die Fortsetzung der Ingewahrsamnahme zu bewirken.

In der Gesamtschau stellt sich der Geschehensablauf für meine Mandantin so dar, daß man sie an diesem Tage bewußt ins Visier genommen hatte. Das beginnt mit dem rechtswidrigem Einsatz körperlicher Gewalt, reicht weiter über die ignorante Behandlung bei der Tataufklärung und mündet schließlich in die absurde Festnahme, die gezielt und unter fadenscheinigen Gründen - und augenscheinlich vollkommen getrennt von der Aktion der Demonstranten - gegen sie eingeleitet wird; und das geschieht kurz nachdem der Pressesprecher der Polizei und der Einsatzleiter des BGS miteinander gesprochen haben.

Dazu paßt die Verweigerung jeder Aufklärung durch die für den Einsatz verantwortlichen Beamten, obwohl diese nach den eindeutigen Angaben hätten tätig werden müssen, genauso wie die mit falschen Tatsachenbehauptungen begründete Ingewahrsamnahme und die Einleitung eines Strafverfahrens.

Umso bemerkenswerter ist in diesem Zusammenhang, daß nicht einmal das Amtsgericht bereit war, den Sachverhalt in der gebotenen Art und Weise aufzuklären, sondern mit unverkennbarer Belastungstendenz die unhaltbaren Verdächtigungen gegenüber meiner Mandantin aufrechterhalten und in Perpetuierung der rechtswidrigen Verfolgung die polizeiliche Maßnahme genehmigt hat. Das Gericht hat damit - ob nun gewollt oder, wenn man so will, als willenloses Werkzeug der planvoll handelnden Polizei, seinen Teil zu der Freiheitsberaubung beigetragen.

Daß die Freiheitsentziehung dann auch noch ohne die dafür unerläßliche richterliche Anordnung nach § 11 Abs. 2 FEG vollzogen wurde, erscheint schon fast als Randnotiz.

Hinsichtlich der BGS-Beamten, die Sie körperlich angegriffen haben, gibt meine Mandantin folgende Personenbeschreibung:

1. Beamter: ...

2. Beamter: ...

Zwei Fotoprints, welche die beiden Polizeibeamten jeweils ausschnittsweise, aber doch recht gut erkennbar zeigen, füge ich in der Anlage bei. Abzüge können bei Bedarf nachgereicht werden.

Im Hinblick auf die beschriebenen Geschehnisse besteht zumindest der Tatverdacht der Körperverletzung im Amt, der Strafvereitlung, der Nötigung und der Freiheitsberaubung.

Für meine Mandantin stelle ich gleichzeitig aus allen in Frage kommenden rechtlichen Gesichtspunkten Strafantrag.

Mit freundlichen Grüßen

- Plener -
Rechtsanwalt
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