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IMPRESSUM

05. Oktober 2005


Durchsuchung der Redaktionsräume der Zeitschrift "anti atom aktuell"
Kartell des Unrechts zu Recht richterlich abgewatscht
"Das Amtsgericht Dannenberg hat zu Unrecht gegen die Beschuldigten Durchsuchungsbeschlüsse erlassen". Zu dieser Einschätzung kam am 6. September die 6. Strafkammer des Landgerichts Lüneburg unter Vorsitz von Richter Dr. Gütschow, die über die Beschwerden der beiden aaa- Redakteure Martin N. und Elisabeth K. zu verhandeln hatte.

Am 11. August 2005 hatten auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft Lüneburg etwa 50 Polizisten und Zivilbeamte die Redaktionsräume der Zeitschrift "anti atom aktuell" im wendländischen Tollendorf durchsucht und dabei Computer, CD-ROMs, Disketten und Schriftstücke beschlagnahmt. Zudem erstreckte sich die Hausdurchsuchung auch auf die Wohnräume. Der Grund war eine von Polizei und Staatsanwaltschaft konstruierte öffentliche Aufforderung zu Straftaten, die den beiden Redakteuren vorgeworfen wurden: Im Rahmen eines Workshops war im Internet eine sogenannte YOMANGO-Modenschau für den 10. August angekündigt worden. Inhaber der Website ist Martin N..

YOMANGO kommt aus dem Spanischen und bedeutet u.a. "ich stehle". Mit dieser Aktion sollten Armut in Deutschland und die (Über-)Lebensstrategien der von Armut Betroffenen thematisiert werden. Da die beiden Herausgeber der aaa als AtomkraftgegnerInnen und als sozialkritisch Engagierte ohnehin im Visier von Polizei und Staatschutz sind, wurde YOMANGO zum willkommenen Reizwort. Ein Amtsrichter in Dannenberg, des Gebrauchs des Internets nach eigenen Aussagen unkundig, gab seinen richterlichen Segen in Form eines Durchsuchungsbeschlusses. Nun hatten Staatsanwaltschaft und Polizei die gewünschte freie Hand. Die Tatsache, dass die für den 10. August geplante YOMANGO-Modenschau als "kriminelle Tat" gar nicht stattfand, war kein Hindernis: Am folgenden Tag schlug man zu, eine von mehreren Ungereimtheiten, auf die auch die Richter des Landgerichts Lüneburg in ihrem Beschluss hinweisen.

Die Richter hatten in dem Beschwerdeverfahren zu prüfen, ob es strafrechtlich relevante Voraussetzungen gegeben hatte, die einen so schwerwiegenden Grundrechtseingriff wie eine Hausdurchsuchung rechtfertigen. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass diese Voraussetzungen bei den Beschuldigten nicht gegeben waren und dass daher das Amtsgericht Dannenberg einen Anfangsverdacht wegen einer Straftat zu Unrecht bejaht hatte. Darüber hinaus rügten die Richter, dass selbst im Falle einer öffentlichen Aufforderung zu einem Diebstahl eine restriktive Prüfung der Durchsuchungsvoraussetzungen durch den Amtsrichter hätte erfolgen müssen, weil ein Vergehen keine Wohnungsdurchsuchung rechtfertige.

Für die beiden Betroffenen bleibt trotz dieses Erfolges eine sehr bittere Erinnerung. "Den Ekel, den man empfindet, wenn jemand in die Privatsphäre eingedrungen ist, den wird man nicht los", äußerte sich Martin N. am 21. September gegenüber der taz.

Die beschlagnahmten Gegenstände - insbesondere waren dies Arbeitsgeräte und -materialien aus den Redaktionsräumen - sind den beiden mittlerweile wieder ausgehändigt worden. Die Durchsuchung von Redaktionsräumen , so bleibt abschließend festzustellen, war - zusätzlich zu der tiefgreifenden Verletzung der Privatsphäre - ein schwerwiegender Eingriff in die Pressefreiheit.

Es bleibt zu hoffen, dass die erteilte richterliche Lektion Staatsanwaltschaft und Polizei zukünftig davon abschrecken, ein derart dreistes Verhalten zu wiederholen. Ferner sollten Amtsrichter dem Richtervorbehalt durch sorgfältiges Abwägen und Prüfen wieder die notwendige Geltung verschaffen; denn es darf nicht sein, dass sich die Judikative durch bloßes Abnicken zum Erfüllungsgehilfen von ausführenden Staatsorganen degradiert.

Weitere Informationen:

Öffentliche Erklärung von Journalisten

Beschluss des Landgerichts Lüneburg

Landgericht rügt Hausdurchsuchungen (taz vom 21.09.05)

Pressemitteilung des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins vom 22.08.05

"Anti-AKW-Szene im Visier" (taz vom 20./21.August 05)

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